Sind sie schon mal auf einem der Social Media Kanäle in einen Shitstorm gelaufen? Vielleicht sogar mit einem eigenen Post, der auf einmal ein ungeahntes Eigenleben entwickelte?
Mir ist das vor einiger Zeit passiert. Nach einem sehr traurigen Ereignis formulierte ich meine Gedanken auf Facebook. Irgendwie und irgendwem kamen sie in den falschen Hals. Da ich meinen Facebook Account nur einmal am Tag anschaue – und ja auch nichts Böses erwartete – war ich zuerst überrascht, und dann dankbar, als mich auf einmal eine Freundin anrief und mir empfahl, doch mal Facebook zu öffnen. Ich wurde ausgebuht mit Hasstiraden. Die Kommentare und Kommentatoren zu meinem Post schienen sich gegenseitig noch anzuspornen. Ich war geschockt und zutiefst getroffen. Zusätzlich bekam ich private Messages und auf einmal auch Whatsapps auf’s Handy. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken und NIE, NIE, NIE mehr aufgetaucht. Ich war – ganz pauschal – in den Augen anderer nichts wert. Wegen eines Satzes!
Schnellstmöglich löschte ich meinen Post und mit ihm alle Kommentare. Zum Glück geht das mittlerweile in Facebook – und so schnell der Sturm über mich hereingebrochen war, beruhigte er sich auch wieder. Der Anruf meiner Freundin und mein schnelles Handeln verhinderte Schlimmeres.
Was war passiert? Im Nachhinein analysierte ich die Situation.
Ich war jemandem, wie man so schön sagt, auf den Schlips getreten. Dafür reicht ein Satz, manchmal nur ein Wort, der von jemandem anderen anders verstanden wird, als man es gemeint hatte. Ich hatte seine oder ihre Wertvorstellungen verletzt. Ungewollt. Die anderen «Hater» sprangen einfach auf den Zug auf. Ob ich auch ihre Werte verletzt hatte oder sie TrittbrettfahrerInnen waren, sei hier egal.
Wir alle wachsen mit Werten auf. Dankbarkeit zum Beispiel: das kleine Kind lernt schon früh, sich für ein Geschenk zum Geburtstag zu bedanken. Oder Rücksichtnahme: einer Hochschwangeren im Tram den eigenen Sitz anzubieten. Persönliche Werte liegen tief in uns vergraben. Wir sammeln sie im Laufe des Lebens. Am Anfang durch unsere Eltern, dann in der Schule, durch unsere Freunde, aber auch durch eigene Erlebnisse. Sie formen und prägen unsere Persönlichkeit. Jede Handlung, die wir vornehmen, jede Antwort, die wir jemandem geben, und jede Meinung, die wir über jemanden anderen haben, ist durch unsere persönlichen Werte bestimmt.
Werden diese selbsteigenen Werte verletzt oder in Frage gestellt, kommt es zu einem Wertekonflikt. Beispielsweise erwartet ihr Vorgesetzter von ihnen, noch eine Nachtschicht einzulegen, weil morgen eine wichtige Präsentation fertig sein muss, aber sie haben ihrem Partner versprochen, heute Abend beim Ausräumen des Kellers für den morgigen Sperrmüll zu helfen. Ist nun ihr Wert: «Pflichtbewusstsein am Arbeitsplatz» oder «Verlässlichkeit in der Partnerschaft» wichtiger?
Nehmen wir einfach mal an, sie entscheiden sich für das Ausräumen des Kellers. Die Reaktion ihres Vorgesetzten hängt wiederum von seinen Werten ab. Steht bei ihm «Toleranz» in der Werteskala oberhalb von «Pflichtbewusstsein am Arbeitsplatz», so wird er ihren Entscheid respektieren, im anderen Falle nicht. Ist er ein schlechter Vorgesetzter – so wie viele Nicht-Vorgesetzte, die sich in Social Media tummeln – so wird er über sie ein Pauschalurteil (z.B. Faul, fehlendes Engagement, unzuverlässig) fällen. Wie sein Urteil ausfällt, darauf haben sie nur sehr wenig Einfluss.
(Anm: ich hätte auch das Beispiel Corona und Impfen nehmen können, habe es aber aus Sorge um einen shitstorm vermieden)
Seine eigene Werteskala zu kennen, ist ein oft brachliegender Schatz – und der Grundbaustein in der Persönlichkeitsentwicklung. Nicht nur für sich selbst und das eigene Selbst»wert»gefühl, sondern auch für die Interaktion mit anderen Menschen. Wer seine eigenen Werte gegenüber den Werten anderen versteht und sich abgrenzen kann, verbessert sein Selbstbewusstsein. Gleichzeitig ist derjenige in der Lage, Wert-Schätzung für andere zu entwickeln. «Selbstwertgefühl», «Wertschätzung»: die Worte implizieren es – das Bewusstsein für Werte: die eigenen und die Werte anderer. Dann ist es einfacher zu akzeptieren, dass andere Menschen gemessen an der eigenen Werteskala auch mal Fehler machen. Aber nicht pauschal («Sie ist faul»), sondern in Bezug auf einen spezifischen Wert.
Das herauszufinden ist allerdings manchmal gar nicht so einfach. Dafür ist eine Portion Neugier auf sich selbst gefragt. Haben sie das? Dann fragen sie sich mal:
- Was sind meine Werte? MEINE, nicht die meiner Eltern oder meines derzeitigen Umfeldes.
- Nach welchen Kriterien oder Eigenschaften bewerte ich mich und andere Menschen?
- Welche Werte sind wichtiger als andere?
- In welchen Situationen priorisiere ich welche Werte vielleicht unterschiedlich?
- Wie sieht die Werteanalyse bei ihrem Partner/Chefin/Mitarbeiter aus?
Haben sie Lust auf sich und ihre Werte? Dann hilft ihnen ein guter Coach, sich auf den Weg zu ihrem Selbstwert zu machen. Diesen Weg sind sie sich selbst wert 😉