Während meiner Zeit in der Unternehmensberatung, in der ich viel reiste, lebte ich für die Dauer der Projekte jeweils von Montag bis Freitag im Hotel. Auch wenn es nicht mein Ding war, abends allein im Restaurant oder an der Bar zu sein, kam es doch ab und zu mal vor. Eines Abends sitze ich an der Hotelbar und schwatze mit dem Barkeeper, da setzt sich ein Mann zu mir und fängt ein Gespräch an. Er war interessant, wortgewandt und durchaus charmant. Es war unterhaltsam, was er so erzählte von sich. Er war viel rumgekommen und es entwickelte sich ein gutes Gespräch, auch wenn ich irgendwann fand, er trug gar ein wenig viel auf, als er von seiner Villa in Italien und seinem Lamborghini erzählte. Nach einer Weile wollte ich mich verabschieden, da lud er mich ein, ob ich nicht am späteren Abend noch zu einer Party in seine Hotelsuite kommen wollte. Er hätte Geburtstag und es kämen noch ein paar andere Gäste. Ich lehnte dankend ab und war auch ganz froh um die Ausrede des wichtigen Workshops am nächsten Tag. Als ich wieder auf meinem Zimmer war und über den Herrn nachdachte, verstärkte sich mein komisches Bauchgefühl. Irgendwie waren mir seine Geschichten etwas zu dick aufgetragen, oder passten nicht so richtig zusammen. Aber so recht greifen konnte ich es nicht.
Am nächsten Abend gehe ich also wieder an die Hotelbar. Wieder derselbe Barkeeper. Kaum setz ich mich auf meinen Hocker, da legt er schon los: ob ich mich an den Typ vom Abend vorher erinnere. «Ja, Klar» Sag ich so, «etwas schillernde Person» rutscht es mir raus. Da nickt der Barkeeper und erzählt mir, dass der Mann kurz nach mir die Bar verlassen hätte. Seine Rechnung hätte er auf sein Zimmer schreiben lassen. Nur hätte sich am nächsten Tag herausgestellt, dass in dem Zimmer gar kein Gast übernachtete. Die darauf gerufene Polizei identifizierte den Typ anhand der Beschreibung als polizeilich gesuchten Hochstapler. Schon wieder sei er ihnen entwischt.
Wow! Ich war echt perplex. Aber hatte mein Bauchgefühl mich nicht sowieso schon gewarnt? Es waren rote Lämpchen angegangen während der Unterhaltung. Sowas nennt man Intuition.
Intuition können wir nicht greifen, da sie sich so schlecht in Worte fassen lässt. Ich hab das mal recherchiert in der Hirnforschung – und habe Interessantes herausgefunden: Bauchgefühl kann eine Erinnerung an eine Erfahrung sein, an die man sich nicht mehr bewusst erinnern kann. Die Wissenschaft hat das Rätsel um Intuition noch lange nicht gelöst. Physiologisch ist es ultra-komplex. Aber mittlweile weiss man, dass Erfahrungen im zentralen Nervensystems der Wirbelsäule und in den Neuronen des Verdauungssytems gespeichert werden. Nur leider können wir mit dem «Bauch-Gedächtnis» genau diese Erinnerungen, die dort gelagert sind, nicht in Worte fassen. In der Wissenschaft wird unser Bauch-Gedächtnis manchmal auch als 2. Hirn bezeichnet.
Mehr und mehr findet man heraus, dass sich unser Kopf-Hirn und unser Bauch-Hirn gegenseitig beeinflussen. Ebenfalls ist erwiesen, dass unsere Emotionen und spontane Reaktionen stark durch Hormone und Neurotransmitter beeinflusst werden, die in unserem Bauch produziert werden. Prominentestes Beispiel: Serotonin, das Glückshormon.
Bevor wir überhaupt einen bewussten Gedanken fassen können, ist alles, was wir wahrnehmen, bereits durch unser emotionales Gedächtnis «gewaschen» worden – und das wird vom Bauchgefühl massiv gefüttert.
Einmal mehr eine Bestätigung, dass wir über alle wichtigen Entscheide, die wir rational zu begründen versuchen – also mit logisch nachvollziehbaren, gut begründeten Fakten – unser Bauch-Hirn nochmals «drüberschauen» lassen sollten. Denn vielleicht weiss es was, was wir nicht mehr wissen 😉