Was hab ich früher die Nächte durchgefeiert. Erst spät abends zogen wir los und tanzten die Nacht durch, bis man uns aus dem Club – damals hiess das noch Disco – morgens rausschmiss, um dann bei irgendjemandem zu Hause weiterzumachen. Den Tag drauf verschlief ich oder funktionierte schlecht auf Basis von Koffein und Alka Selzer. Schon kurz nach meiner Schulzeit verschwand aber das Bedürfnis nach durchgezechten Nächten in gleichem Mass wie mein Bedürfnis nach Schlaf wuchs. Ich mutierte von der Partynudel zum Partyflüchtling. Eine Stimme in meinem Ohr fing spätestens um 11Uhr abends zu flüstern: «Matratzenhorchdienst – auf nach Hause» Der Drang wurde jeweils so stark, dass ich eigentlich immer die erste war – und auch heute noch bin – die eine Gesellschaft verliess. Manchmal wurde ich «Schlafmütze» genannt. IMMER hatte ich ein schlechtes Gewissen. Es war selten so, dass mir die Party nicht gefallen hätte – ich war halt einfach müde.
Seit einiger Zeit befasse ich mich mit Hirnforschung, speziell Schlaf, und frage mich: Warum musste ich so alt werden, um endlich mit meinem schlechten Gewissen ins Reine zu kommen?
Die Antwort auf die Frage: warum werde ich abends immer so früh müde? tönt ziemlich kompliziert: Circadianer Rhythmus. Unter dem Namen «Innere Uhr» kennt sie jeder. Aber wussten sie auch, dass die bei den meisten Menschen eiert, mal plump gesagt? Anstatt brav im 24-Stunden Rhythmus zu ticken, wie sich das gehört, geht sie bei den meisten Menschen etwas nach. Das heisst, nach 24 Stunden ist der Tag noch nicht rum.
Der durchschnittliche Tag beträgt nämlich 24h 11’. Also mehr Menschen sind Nachteulen, wie meine früheren Freundinnen. Oft haben sie Mühe, den Weg ins Bett zu finden. Im Gegensatz dazu sind weniger als die Hälfte Lerchen – so wie ich. Meine Gattung wacht automatisch früh auf, aber der Tag scheint dafür manchmal endlos. Dazu kommt noch, dass diese innere Uhr in den verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich tickt. Eine Metamorphose von Nachteule zu Lerche ist durchaus möglich.
Gegen diesen individuellen Schlafrhythmus anzugehen, ist kontraproduktiv und auf Dauer gesundheitsschädlich. Es ist nachgewiesen, dass die Schlafphasen, die man durch erzwungenes Wachsein oder verfrühtes Aufstehen verliert, nicht nach- oder vorgeholt werden können. Damit wird auf Dauer das Hirn in seiner Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt.
Besser ist es, sich dem zu fügen, und zu versuchen, seinen eigenen Tag danach einzurichten – und seinen Teenagern, KollegInnen und Mitarbeitern so tolerant wie möglich gegenüber zu sein, wenn sie einfach von Hause aus einen anderen Tagesrhythmus haben. Die, die sich ihrem natürlichen Schlafbedürfnis beugen, sind langfristig gesünder, leistungs- und widerstandsfähiger.