Vor einiger Zeit hatte ich ein Gespräch mit einer Coaching-Kundin. Wir kamen auf eine ihrer Eigenschaften zu sprechen: Ehrgeiz. Es war ihr peinlich, zuzugeben, dass sie ehrgeizig ist. Sie wollte nach Jahren guter Leistungen eine Beförderung. Aber nicht nur fürchtete sie sich vor dem Gespräch mit ihrem Vorgesetzten, auch wollte sie nicht als «ehrgeizig» angesehen werden.
Dieses Verhalten fällt mir (leider) regelmässig auf, vor allem bei uns Frauen.
Es wird Zeit, auf diese – offensichtlich so verkannte Eigenschaft – ein Loblied anzustimmen.
Das Wort ist negativ behaftet. Assoziiert wird damit eine Person, die über Leichen geht, um Erfolg zu haben. Also traut man, bzw. vor allem frau, sich nicht, dies zuzugeben. Und wenn du es tust, fühlst du dich gezwungen, es sofort wieder abzuschwächen: «ähm, ja…, aber nur es bitzeli…».
Wie wäre es wenn du gefragt würdest: «Bist du ambitioniert?» Ich wette, auf diese Frage, die essentiell genau dieselbe ist, würden die meisten, die sich für ehrgeizig halten, schon eher mit Ja antworten, ohne dabei gleich rot zu werden.
Woher kommt das bloss? Mit einer Berufskollegin hatte ich kürzlich diesbezüglich einen Austausch. Wir kamen auf die Bibel. Ich bin kein religiöser Mensch, aber ganz weit weg, vor x-zig Jahren im Religionsunterricht, dann ging es mal um die 7 Todsünden. Eine davon ist Geiz. Womit klar ist, warum das Wort EhrGEIZ nichts Gutes bedeuten kann. Mit Ehre geizen. Dem anderen nichts gönnen. Die deutsche Sprache bestraft uns für diese Eigenschaft. Für Geiz muss man sich schämen. Also auch für den «Geiz nach Ehre». Logisch! Wenn ich jetzt noch die «weiblichen» Tugenden wie Bescheidenheit und Sanftmütigkeit dazu nehme, ist noch offensichtlicher, dass es sich nicht gehört, ehrgeizig zu sein. Für Frauen noch weniger als für Männer. Jungs dürfen ehrgeizig sein. Mädchen nur ein bisschen. Diese Denkmuster stecken noch in vielen Köpfen.
Im angelsächsischen Sprachraum hat man diese Assoziation nicht. Ich habe über viele Jahre mit Amerikanern und Engländern gearbeitet. Anfangs war ich überrascht darüber, wie offen und ungezwungen die Angelsachsen mit ihren Ambitionen umgehen und wie sie auch dafür gelobt und gefördert werden, wenn sie «ambitious» sind. Bei uns wirst du schief angeschaut.
Also warum schneiden wir uns davon im deutschen Sprachraum nicht eine grosse Scheibe ab? Auf Deutsch «ehrgeizig», Neudeutsch «ambitioniert» zu sein ist doch eigentlich eine ganz coole Sache! Niemand muss sich dafür schämen. Im Gegenteil. Ambitionen (ähm… Ehrgeiz) haben uns von den Bäumen heruntergeholt. Ehrgeiz ist der Motor für Erfolg, das Öl im Getriebe, um sich weiter zu entwickeln, Träume wahrzumachen, Ziele zu verfolgen. Er lässt dich zielstrebig werden. Er hat nichts mit den anderen zu tun, nur mit dir.
In diesem Sinne: Ersetze – mental – «Ehrgeiz» durch «Amibitionen», sei stolz drauf und Go for it!
Meine Coaching Kundin wurde übrigens in der Zwischenzeit befördert, auch wenn sie für sich eine andere Lösung erarbeitete 😉