Brauchen wir Ziele im Leben?

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Ich habe sie immer beneidet: die Menschen, die ein klares Ziel im Leben haben. Meine beste Freundin in der Grundschule wusste schon als 6-jährige, dass sie einmal Ärztin werden wollte. Ich hatte immer noch keinen Plan, was ich mit meinem Leben anfangen sollte, als ich 13 Jahre später mit der Schule fertig war. Konnte mir auch nichts vorstellen unter dem, was mir so vorgeschlagen wurde: Bürokauffrau… Physiotherapeutin… Rechtsanwältin… Versicherungsangestellte… Managerin…

Meine Ziellosigkeit zog sich durch in meinem Leben. In den 20 Jahren nach der Schule machte ich vieles, zog 20mal um, lebte in 4 verschiedenen Ländern. Und nun jetzt, einige (viele) Falten und graue Haare später, schaue ich zurück auf den Weg, den ich in 30 Jahren gemacht habe und stelle fest, dass der eigentlich richtig klasse war. So ein wenig planlos, teilweise aber auch sehr fokussiert, wenn mich etwas gefesselt hat. Und in Retrospekt muss ich sagen: diese ganze Schwafelei an die Kinder ran, sie sollen sich überlegen, was sie einmal werden wollen, macht doch nur unnötigen Druck.

Ich bin nicht gegen Ziellosigkeit. Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Wer ein klares Ziel vor Augen hat, der kommt dort auch hin. Und das schneller als andere, die noch am Blümchen pflücken sind, wenn der andere schon das Sektglas in der Hand hat. Ich sass auch in Rennwagen am Steuer mit dem Fuss auf dem Gaspedal, wenn ich wusste, wohin ich wollte. Aber das Leben ist doch wie ein Himmel an einem Tag in England. Blauer Himmel, viele Wolken, ab und zu ein – schon mal – kräftiger Regenschauer. Dass ich mal Coach werden würde, hätte ich nie gedacht. Aber nun begleite ich Menschen auf ihrem Lebensweg, oder an Lebensabschnitten. Menschen, die sich fragen: Wo geht es weiter hin?

Die Antwort ist ein Himmel voller Wolken. Malen sie ihre Wolken auf. Dabei meine ich natürlich Schönwetterwolken. Vielleicht ist es am Anfang einfach Nebel um sie herum. Aber sobald sie mal beginnen, Ideen zu entwickeln – die können auch völlig crazy sein – lichtet sich der Nebel, der Himmel wird blau und es entstehen Wölkchen am Himmel. Wie sehen die aus? Wofür steht jede einzelne? Eine Wolke kann zum Beispiel ihr privater Traum sein. Andere Wolken ihre möglichen nächsten beruflichen Stationen? Und wieder andere Länder, in denen sie sich vorstellen können, zu leben – oder Fähigkeiten, Hobbies, denen sie vielleicht einmal nachgehen möchten. Stellen sie sich vor, sie sitzen auf diesen Wolken. Wie fühlt es sich dort an? Was machen sie dort Tag für Tag? Und langsam entwickeln sich Himmelsbilder, ihre «Leben», die sich allesamt gut anfühlen können.

Die Zukunft ist oft unplanbar. Es gibt auch mal Regen oder Gewitter zwischendurch. Oder Nebel. Aber einmal weg zu gehen von der Idee, der Mensch braucht klare Ziele, öffnet ihren Horizont. Lässt sie in möglichen Optionen denken. Entspannt den Geist. Motiviert, denn sie kommen raus aus den Spurrillen, in denen sie gerade stecken, schauen wieder nach oben, werden optimistisch. Und wie man aus der Hirnforschung weiss: wenn sie hochschauen, sich aufrichten, lächeln und in Herausforderungen, Optionen und Lösungen denken, produzieren sie nicht nur Glücks- sondern auch Mut-Hormone. Mut, um den ersten Schritt in Richtung einer Veränderung zu machen. Raus aus dem Nebel. An die Sonne.

Und auf einmal blicken sie zurück und stellen fest: Coole Wolke, auf der ich grade sitze! Aber hoppla, jede Wolke kann sich auch wieder auflösen. Wohin geht’s als nächstes? Keine Ahnung? Super. Genau da will ich hin 😊

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